Grübeln und Sorgen

Grübeln und Sorgen machen

Was ist Grübeln?

Von Zeit zu Zeit ins Grübeln zu geraten, ist den meisten Menschen nicht fremd. Gedanken drehen sich immer wieder um das Gleiche, die Aufmerksamkeit ist bei Erinnerungsbildern, Konflikten und Erlebtem und es wird schwierig, seine Konzentration auf die Gegenwart zu richten. Dies sind meist kürzere Phasen, welche keine Beeinträchtigung des Alltags mit sich bringen. Demgegenüber gibt es Menschen, die mit fortwährenden Grübeleien beschäftigt sind. Kleinste Anlässe genügen, um eine selbstquälerische und lähmende Dynamik zu entwickeln. Man „macht sich einen Kopf“ und die Gedanken drehen sich immer wieder um vermeintliche Schwächen und Misserfolge. Oft schweifen die Themen hierbei von konkreten Ereignissen immer weiter zu allgemeinen Grübeleien ab: „Ist mein Leben sinnvoll?“, „Warum bin ich nicht zufrieden?“, „Warum mache ich mir das Leben oft selber schwer?“. Zunehmend werden die Betrachtungen selbstkritischer und abwertend. Da die Gedanken immer abstrakter werden, sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, konkrete Antworten zu finden immer weiter. Das Denken entfernt sich von lösungsorientierten Bewältigungsstrategien zu sinnlosem Gedankenkreisen. Langfristig kann sich aus dieser Denkgewohnheit eine Intensivierung und Aufrechterhaltung negativer Gefühle entwickeln. Auch das Risiko, an psychischen Störungen zu erkranken, steigt mit dem Ausmaß des Grübelns an. Übermäßiges Grübeln kann zu Depressionen, Ängsten, Schlafstörungen und psychosomatischen Beschwerden beitragen.

Unterschied Grübeln, sich Sorgen und problemlösendes Denken

Grübeln

Die verschiedenen Arten des Denkens unterscheiden sich in ihrem zeitlichen Bezugspunkt. Grübeln ist meist vergangenheits- oder gegenwartsorientiert. Grübeleien werden emotional mitunter von einem Gefühl der Traurigkeit begleitet. Das grüblerische Denken beschäftigt sich mit der Frage nach Gründen und Ursachen von bereits geschehenen Ereignissen, ohne dabei auf ein Ergebnis zu kommen. Die häufigsten Fragestellungen sind „Warum?“-Fragen. Meistens wird von einem Thema zum nächsten gewechselt, ohne dass diese abgeschlossen werden. Die Themen sind oft allgemeine Gedanken zu aktuellen Konflikten, philosophische Fragen, Gedanken zum eigenen Selbstbild und Unsicherheit über getroffene und anstehende Entscheidungen. Hierin liegt der Unterschied zum problemlösenden Denken. Die „Warum?“-Fragen bringen keine Erkenntnisse über die vergangenen oder gegenwärtigen Ereignisse und führen dadurch nicht zu konkreten Problemlösungen und aktivem Handeln.

Sich Sorgen

Sich zu sorgen bezieht sich im Gegensatz zum Grübeln auf die Zukunft. Das Sorgen wird emotional mit einem Gefühl der Angst begleitet. Die Themen des Sich-Sorgens beziehen sich im Gegensatz zum grüblerischen Denken nicht auf geschehene Ereignisse, sondern auf zukünftige Ereignisse, die erst noch eintreffen werden – oder auch nicht. Sich-Sorgen beschäftigt sich vor allem mit „Was ist wenn … ?“-Fragen. „Was ist, wenn ich meinen Job verliere …“, „Was ist, wenn der Termin nicht gut läuft … ?“, „Was ist, wenn ich in der Situation Angst bekomme … ?“. Sich zu sorgen ist an sich eine wichtige geistige Aktivität mit dem Ziel, vor zukünftigen Gefahren zu schützen. Erst wenn grüblerische Züge hinzukommen und die Sorgen sich nur im Kreis drehen, ohne zu konkreten Problemlösungen und aktivem Handeln zu führen, entsteht wie beim Grübeln ein negativer Denkprozess, der zu gesundheitlichen Folgen wie Schlafstörungen und psychosomatischen Beschwerden führen kann.

Problemlösendes Denken

Von Grübeln und Sich-Sorgen unterscheidet sich das problemlösende Denken durch seine Zielbezogenheit. Ziel ist es, Vorgänge zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen und daraus konkrete Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Problemlösendes Denken führt eher zu aktivem Handeln. Die Auseinandersetzung mit dem Thema erfolgt dabei analytisch, wertungsfrei und nicht auf sich selbst abwertende Weise. Im Mittelpunkt des Denkens stehen „Wie?“-Fragen. „Wie kann ich mein Ziel erreichen?“, „Wie kann ich die richtige Entscheidung treffen?“, „Wie komme ich zu Informationen?“, „Wie kann ich Unterstützung bekommen?“. Durch problemlösendes Denken werden Situationen effektiver bewältigt. Dadurch kommt es zu einer emotionalen Entlastung, die den möglichen gesundheitlichen Folgen des Grübelns und Sorgens vorbeugt.

Ursachen

Eine alleinige Erklärung für das Phänomen „Grübeln“ gibt es nicht. Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze dazu.

Trügerische Vorteile von Grübeln

Viele Menschen sind der Meinung, dass Grübeln zu mehr Einsicht und zu besseren Problemlösungen führt. Sie gehen mit einer positiven Erwartung an das Grübeln heran. Oft herrscht die Idee vor, dass es möglich ist, mit Grübeln die Bedeutung im eigenen Leben zu suchen, Antworten auf Probleme zu finden, die Ursachen von Ereignissen herauszufinden, die Vergangenheit besser zu verstehen, vorhandene Traurigkeit zu bewältigen, sich zukünftig zu ändern, die Zukunft zu verbessern, besser an den eigenen Zielen festzuhalten, usw. Meist wird das Grübeln durch die positive Grundhaltung dem Grübeln gegenüber zur Gewohnheit. Daher verstärkt sich die Gewohnheit, dass in Belastungssituationen Grübeln als automatische Bewältigungsstrategie angewandt wird, ohne dass sich der erhoffte Erfolg einstellt.

Grübeln als Vermeidungsstrategie

Menschen neigen dazu, unangenehme Situationen zu vermeiden. Grübeln kann dazu dienen, anstrengenden, frustrierenden oder schmerzhaften Situationen aus dem Weg zu gehen. Solange man grübelt, kommt es nicht zu realen Misserfolgen. Auch wenn das Grübeln anstrengend oder unangenehm ist, scheint es in manchen Situationen besser und angenehmer zu sein als die negativen Gefühle oder Anstrengungen einer realen Situation auszuhalten. Grübeln bietet eine gute Entschuldigung, sich passiv zu verhalten. Zusammengefasst kann man sagen, dass Grübeln einem nicht hilft sich gut zu fühlen, aber es hilft, sich kurzfristig weniger schlecht zu fühlen. Durch Grübeln hat man die Möglichkeit, unangenehmen Situationen zu entfliehen. Dieses Vermeidungsverhalten vermindert jedoch eine produktive Auseinandersetzung mit der gegebenen Situation. Durch die passive Haltung während des Grübelns findet keine Veränderung statt. Probleme werden somit nicht gelöst, sondern verdrängt und verschlimmert oder chronifiziert, was neuen Anlass zum Grübeln gibt. Hier ist es sinnvoll, diesen sich selbst aufrechterhaltenden Mechanismus bewusst wahrzunehmen, sich die längerfristigen Konsequenzen von Grübeleien genau anzusehen und das Grübeln durch produktives Denken zu ersetzen, um den Grübel-Kreislauf zu durchbrechen.

Grübeln als Zeichen einer Erkrankung

Ständiges Grübeln kann nur das Symptom einer erlernten Denkgewohnheit sein oder auch ein Anzeichen für das Vorliegen einer Erkrankung wie Depression, Burnout, Angststörung oder der Ausdruck eines unverarbeiteten Traumas. Bei übermäßigem Grübeln ist es ratsam, die zugrundeliegende Ursache zu klären.

Mangelnde Fähigkeit zur Problemlösung

Das fehlende Erlernen von ausreichenden konstruktiven Problemlösungsstrategien kann das Entstehen von Grübeln begünstigen. Wo keine Problemlösungen gefunden werden, kann sich die Angewohnheit als Bewältigungsstrategie festigen. Hier kann es hilfreich sein, die Fähigkeit zum Problemlösen durch das Erlernen von Stressmanagementtechniken zu verbessern, um im Alltag besser mit Belastungssituationen umzugehen und weniger zu passivem Grübeln zu neigen.

Die Folgen von Grübeln

Gelegentliches Grübeln bei akuten Belastungssituationen oder vor Entscheidungen wird von den meisten Menschen gut bewältigt. Häufiges chronisches Grübeln geht mit weiterreichenden Folgen einher und ist mit einem deutlichen Leidensdruck der Betroffenen verbunden. Es kann zur Intensivierung und Aufrechterhaltung negativer Stimmung beitragen. Negative Gedanken und Erinnerungen nehmen in ihrer Häufigkeit zu. Der Antrieb verringert sich. Problemlösungsfähigkeiten werden herabgesetzt. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden belastet und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Störungen wie Depressionen und Angstzuständen kann sich erhöhen. Das Grübeln fördert das Entstehen eines Teufelskreises negativer Gedanken. Je mehr Zeit mit Grübeln verwendet wird, desto mehr negative Erinnerungen werden ins Gedächtnis gerufen. Dies verstärkt wiederum die Neigung zum Grübeln. Die eigene Situation erscheint dadurch von Mal zu Mal hoffnungsloser und die Motivation, aktiv nach Lösungen zu suchen sinkt. In der Folge nehmen negative Stimmungen weiter zu und die Problemsituationen bleiben ungelöst. Die entstehende passiv-negative Haltung kann sich dann schlussendlich auch auf die sozialen Beziehungen auswirken.

Wann ist eine Psychotherapie sinnvoll?

Wenn die Beschäftigung mit den Gedanken den Alltag, die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit dauerhaft einschränken, ist es ratsam über eine ärztliche Hilfestellung nachzudenken, um den Ursachen des Grübelns auf den Grund zu gehen und eine bestehende psychische Erkrankung auszuschließen. Hierzu können Sie beispielsweise relativ einfach in einem Ärzteportal nach Psychotherapeuten oder einem Heilpraktiker für Psychotherapie mit der entsprechenden Fachausbildung suchen.

Behandlung allgemein

Ziel ist es, die Kontrolle über die persönliche Aufmerksamkeitslenkung zu trainieren, um zu lernen, den Prozess des Grübelns zu beeinflussen. Durch Übungen kann ein distanzierter Blick auf belastende Gedanken und Vorstellungen erlernt werden. Gegebenenfalls positive Erwartungen an das Grübeln werden kritisch hinterfragt. Durch weitere Übungen werden alternative Verhaltensweisen zum Grübeln vermittelt, um die Fähigkeit zum handlungsorientierten Problemlösen zu steigern. Hierzu kommen verhaltenstherapeutische Methoden zum Einsatz.

Kognitive Verhaltenstherapie

In der Kognitiven Verhaltenstherapie gibt es eine Sammlung von Übungen, mit denen man das Grübeln positiv beeinflussen kann. Eine wichtige Übung ist der sogenannte Gedankenstopp. Bei dieser Übung wird vermittelt, wie man bewusst seine Gedanken und damit das Grübeln unterbrechen kann. Weitere wichtige Übungen bestehen in der Verbesserung der eigenen Selbstwahrnehmung, um das eigene Grübeln bewusster und früher wahrzunehmen und frühzeitig zu unterbinden. Durch die verbesserte Selbstwahrnehmung der eigenen Gedanken lässt sich eine größere Distanz zum eigenen Denken entwickeln. Gedanken werden nicht mehr als „absolute Realität“, sondern als Gedanken wahrgenommen, die sich je nach Perspektive verändern lassen. Durch das Erlernen neuer, lösungsorientierter Bewältigungsstrategien steigert sich die Fähigkeit, Probleme selbstständig zu lösen. Damit verringert sich auch die Neigung zum Grübeln. Auch das im Rahmen der Psychoedukation vermittelte Wissen und das kritische Hinterfragen der eigenen Vorstellungen über das Grübeln an sich trägt zu einer Verbesserung bei. Zusätzlich kann die Behandlung durch das Erlernen von Entspannungsverfahren ergänzt werden, um auch die körperlichen Symptome, die in Folge des Grübelns entstehen, ganzheitlich mit einzubeziehen.

Warum weniger grübeln?

Wer weniger grübelt, hat mehr Zeit und Energie, zielgerichtet Probleme anzugehen oder Lebensziele zu verwirklichen. Der meist mit dem Grübeln einhergehende Leidensdruck wird verändert. Außerdem sinkt die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft an Krankheiten wie Depression, Angststörungen oder psychosomatischen Beschwerden zu erkranken. Im Allgemeinen steigen die subjektive Zufriedenheit und Lebensfreude. Auch das soziale Umfeld erlebt den Zeit- und Energiegewinn meist positiv.

Quellen:

Teismann, Thomas (2. Auflage 2014) Grübeln: Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst. BALANCE Buch + Medienverlag.

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