Soziale Phobie

Soziale Phobie

Was ist eine soziale Phobie?

Eine soziale Phobie zeigt sich durch eine ausgeprägte Furcht, im menschlichen Miteinander aufzufallen, sich zu blamieren, unangemessen zu wirken oder Fehler zu machen. Oft kommt die Angst dazu, dass die Umwelt die begleitenden Symptome wie Erröten, Zittern oder Schwitzen wahrnimmt. Im Gegensatz zu anderen psychischen Störungen sind soziale Phobien für außenstehende sehr unauffällig und bleiben oft unentdeckt. Bei Betroffenen besteht jedoch meist enormer Leidensdruck. Die Beeinträchtigungen können so weit gehen, dass der Alltag dadurch teilweise stark eingeschränkt wird. Schon Stunden oder Tage kreisen die Gedanken über anstehende soziale Ereignisse. Selbst wenn diese Situationen erfolgreich bewältigt wurden, bleiben die erlebten Situationen noch lange im Kopf. Dieses Vor- und Nachbearbeiten sozialer Situationen ist meist mit einer hohen inneren Anspannung verbunden.

Um das eigene Verhalten zu kontrollieren und Fehler zu vermeiden, wird die Aufmerksamkeit nach innen gerichtet. Dies behindert das Wahrnehmen der von außen kommenden Informationen. Dadurch kann sich zusätzlich die Angst entwickeln, den „Anschluss“ an das aktuelle Geschehen zu verlieren oder sogar einen „Blackout“ zu haben. Um diesen unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen, neigen Menschen mit sozialen Phobien dazu, angstauslösende Situationen zu vermeiden.

Theorien zur Entstehung und Aufrechterhaltung sozialer Phobien

Theorie des sozialen Lernens

Im Rahmen der Theorie des sozialen Lernens geht man davon aus, dass sich soziale Ängste entwickeln, wenn Betroffene soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, Kritikfähigkeit oder Selbstvertrauen nicht ausreichend entwickeln konnten. Ein Grund dafür kann sein, dass in der Biografie keine ausreichenden Vorbilder zur Verfügung standen, von denen ein adäquater Umgang für die verschiedenen sozialen Situationen übernommen werden konnte. Durch die fehlende Kompetenz besteht die Befürchtung, in sozialen Situationen zu versagen. Dieser Theorie zu Folge verringert das Erleben erfolgreicher Verhaltensweisen die bestehenden sozialen Ängste. Wichtige Fähigkeiten sind das angemessene Ausdrücken von Bedürfnissen, das Knüpfen und die Pflege sozialer Kontakte und die Fähigkeit, mit Kritik umzugehen.

Psychodynamische Erklärungsansätze

Im Rahmen dieser Theorie geht man davon aus, dass Beziehungserfahrungen schon aus der Kindheit zur Entstehung von sozialen Phobien beitragen können. Die Annahme ist, dass sich Betroffene z. B. beim Verlust oder durch Trennung von wichtigen Bezugspersonen, die üblicherweise Sicherheit vermitteln und steuernde Funktionen erfüllen, bedroht erleben und dadurch ausgeprägte Ängste und Selbstwertverluste entstehen. Diese Ängste zeigen sich später in einer inneren Unsicherheit. Um diese Ängste im Erwachsenenalter positiv zu verändern, spielt der Aufbau einer hilfreichen therapeutischen Beziehung eine wichtige Rolle. Dabei wird versucht, hinter die vordergründigen Symptome der Angst zu schauen, um unbewusste Ängste, Konflikte und Bedürfnisse sichtbar zu machen. Dies dient dazu, die den Symptomen zugrundeliegenden Ängsten zu verstehen, um positive Veränderungen im gegenwärtigen Erleben zu bewirken.

Neurobiologische Erklärungsansätze

Wichtige Botenstoffe zwischen den Nervenzellen scheinen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von sozialen Phobien beteiligt zu sein. Aus dieser Beobachtung leiten sich medikamentöse Behandlungsansätze ab. Bestimmte Medikamente können in akuten Fällen als Begleitung zu einer Psychotherapie eine sinnvolle Unterstützung sein.

Erklärungsansätze der Kognitiven Verhaltenstherapie

Die Theorie der Kognitiven Verhaltenstherapie geht davon aus, dass psychische Probleme durch die Art zu denken und durch die Art wie Menschen ihre Umwelt interpretieren entstehen und auch aufrechterhalten werden. Die Gedanken und Interpretationen beeinflussen dann das Entstehen von Emotionen und das daraus folgende Verhalten. Zum Beispiel wird ein sozial phobischer Redner während eines Vortrags sobald ein Zuhörer lacht denken: „Ich habe etwas Falsches gesagt“, „Die anderen merken, dass ich unsicher bin“, usw. Diese Gedanken werden unabhängig davon entstehen, was der wirkliche Grund des Gelächters war. Die Folge davon ist aber, dass sich der Redner immer unsicher und ängstlicher fühlt und sich darauf konzentriert, möglichst keinen Fehler zu machen. Dies führt zu steigender Anspannung und weiteren negativen Gedanken über die eigene Person, bis sich ein selbst aufrechterhaltender Angstkreislauf entwickelt.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen und negative Emotionen erst gar nicht entstehen zu lassen, ist es das Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie, diese problematischen Gedanken und Verhaltensweisen aufzuspüren und eine aktive Veränderung anzustreben. Die kognitive Verhaltenstherapie ist ein sehr wirksamer Ansatz für soziale Phobien und wissenschaftlich besonders gut untersucht.

Folgen und Auswirkungen einer sozialen Phobie

Die Folgen einer sozialen Phobie hängen sehr von der Schwere ab. Eine soziale Phobie durchzieht alle Lebensbereiche, beruflich wie privat. Betroffene meiden soziale Situationen aus Angst vor negativen Erfahrungen. Auf die Dauer kann dies zu sozialem Rückzug und Isolierung führen. Im Privaten entstehen keine neuen Freundschaften bzw. bestehende soziale Kontakte verringern sich immer mehr. Auch beruflich ist ein Vorankommen sehr erschwert. Menschen mit sozialen Ängsten heiraten im Durchschnitt seltener und verdienen im Beruf durchschnittlich weniger Geld. Hinzu kommt, dass sich oft durch die erlebten Einschränkungen weitere psychische Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Missbrauch von Alkohol und Medikamenten entwickeln können. In sehr schweren Fällen, wenn das Leiden der Betroffenen sehr stark ist, kommt es auch zu Suizidversuchen.

Kognitive Verhaltenstherapie

Erster Schritt: Die Angst verstehen

Ein wichtiger Schritt zur Besserung einer sozialen Phobie ist es, die eigenen Ängste besser zu verstehen. Warum habe ich diese Ängste? Warum treten sie in dieser Situation auf, während ich in anderen Situationen keine Probleme habe? Warum verschwinden die Ängste nicht einfach von alleine? Entscheidend ist herauszufinden, was ganz individuell in den konkreten Situationen geschieht. Welche Prozesse laufen automatisch ab? Welche Gedanken sind vorhanden? Welche Emotionen entstehen dadurch? Sind vergangene Erfahrungen an der Interpretation der gegenwärtigen Situation beteiligt? Aus diesen Überlegungen entwickelt sich ein persönliches Erklärungsmodell, mit dessen Hilfe Ansatzpunkte ersichtlich werden, die helfen, zukünftig besser mit den vorhandenen Ängsten umzugehen. Oft verringern sich die Ängste allein schon dadurch, dass sich das Verständnis für die zugrundeliegenden Mechanismen vertieft. Die „Angst vor der Angst“, die oft ein zusätzliches Problem ist, nimmt durch die neuen Einsichten ab.

Selbstaufmerksamkeit reduzieren

Menschen mit sozialen Ängsten neigen dazu, einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten. Dies macht es ihnen schwer wahrzunehmen, was in der aktuellen Situation geschieht. Da sie sich schlecht auf ihre Umgebung konzentrieren können, nehmen sie auch weniger wahr, wie andere tatsächlich auf sie reagieren. Zusätzlich beschäftigen sie sich oft mit der Vorstellung, wie sie auf andere wirken. Es ist zu beobachten, dass Menschen mit sozialen Phobien oft eine ziemlich unrealistische Vorstellung haben, wie sie von anderen wahrgenommen werden. Die Fantasie übernimmt die Vorherrschaft und da die Kapazität der menschlichen Aufmerksamkeit begrenzt ist, wird nicht überprüft, wie die Situation tatsächlich abläuft. Dieser Teufelskreis kann auch noch durch körperliche Symptome verstärkt werden. Haben zuerst die negativen Gedanken dazu geführt, dass sich körperliche Symptome entwickelt haben, können diese körperlichen Symptome nun wiederum Gedanken erzeugen, welche die Situation immer weiter aufschaukeln. Hier setzen die Übungen der Kognitiven Verhaltenstherapie an. Es wird gelernt, die Aufmerksamkeit zu lenken. Dadurch verschiebt sich mit voranschreitender Übung die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf sinnvolle Aspekte der angstbesetzten Situation zu richten. Auf die Dauer schwächt sich dadurch die Angstreaktion immer weiter ab.

Sicherheitsverhalten reduzieren

Menschen mit sozialen Phobien versuchen meist mit erheblichem Aufwand zu verhindern, dass ihre Befürchtungen eintreten. Dabei werden manche Verhaltensweisen ganz bewusst eingesetzt, andere laufen automatisch ab. Diese gilt es durch Selbstbeobachtung besser wahrzunehmen. Kurzfristig hat das Sicherheitsverhalten den Vorteil, dass sich die Betroffenen kurze Zeit weniger ängstlich fühlen. Verschiedene Formen des Sicherheitsverhaltens sind beispielsweise sich selbst zu zensieren und nicht auszusprechen, was man gerade sagen möchte, Blickkontakt zu vermeiden, Fragen zu vermeiden, sich so wenig wie möglich zu bewegen, vermeiden über sich selbst zu reden, usw. Diese Verhaltensweisen verhindern es vollständig, an der vorhandenen Situation teilzunehmen und dabei positive Erfahrungen zu machen, die den eigenen negativen Vorstellungen widersprechen. Dies trägt dazu bei, dass die angsterzeugenden Gedanken aufrechterhalten bleiben und das Sicherheitsverhalten dadurch weiter verstärkt wird. Durch die Übungen der Kognitiven Verhaltenstherapie wird die Energie, welche für das Sicherheitsverhalten aufgewendet werden muss, in alternative Verhaltensweisen umgelenkt. Diese dienen dazu, den sich selbst erhaltenden Kreislauf zu durchbrechen und ermöglichen es, neue positive Erfahrungen zu machen.

Objektivere Sichtweise gewinnen

Das Erlernen, die eigene Aufmerksamkeit zielgerichteter einsetzen zu können, und das Erlernen von alternativen Verhaltensweisen werden anschließend im Alltag getestet. Dies geschieht in sogenannten Verhaltensexperimenten. In sozialen Situationen werden bewusst die neuen Fertigkeiten ausprobiert. Hier besteht die Möglichkeit, in kleinen Schritten neues Verhalten zu festigen, alte Automatismen abzulegen und aus den positiven Erfahrungen zu lernen. Die neuen Fähigkeiten steigern sich aus den Rückmeldungen der Umwelt. Dies ermöglicht es auf die Dauer ein positiveres Selbstbild zu entwickeln.

Angstverstärkende Gedanken reduzieren

Vor der Sozialen Situation

Bei vielen Menschen ist nicht allein die Angst in aktuellen sozialen Situationen das größte Problem, sondern oft sind quälende Gedanken und Angstgefühle vor einer bestimmten Situation bereits sehr belastend. Diese Art des Denkens nennt man Erwartungsangst. Verschiedene Denkgewohnheiten begünstigen Erwartungsängste. Negative Erinnerungen an die Vergangenheit erhöhen die Erwartung, dass die zukünftige Situation wieder so verlaufen wird. Meist führt auch das übermäßige wahrnehmen von mitunter normalen Körpersymptome wie Herzklopfen oder Schwitzen zu einem negativen Selbstbild. Menschen mit einer sozialen Phobie neigen zum Katastrophieren. Dies ist eine weit verbreitete Denkweise, die darin besteht, sich die schlimmsten möglichen Ausgänge einer Situation vorzustellen. Oft ist dieses Katastrophieren mit der Überzeugung verbunden, dass dieses Szenario auch garantiert eintreten wird. Dies führt wiederum zu weiteren Gedanken darüber, wie man diese Situation vorab vermeiden kann. Hier wird im Rahmen der Kognitiven Verhaltenstherapie erlernt, funktionale Denkgewohnheiten zu verinnerlichen, um das Ausmaß der belastenden Gedanken vor sozialen Situationen so weit wie möglich zu minimieren.

Nach der sozialen Situation

Menschen mit sozialen Ängsten neigen dazu, Erlebnisse im Nachhinein wiederholt auszuwerten und erleben dabei unangenehme Gefühle wie Angst, Scham, Wut oder Traurigkeit. Bei ihrer nachträglichen Verarbeitung von Erlebnissen neigen sie dazu, die erlebten Situationen negativer zu erinnern als es der Realität entspräche. In der Kognitiven Verhaltenstherapie wird durch Übungen die Fähigkeit gesteigert, die nachträglich negativ bewerteten Erinnerungen bewusst wahrzunehmen und diese durch funktionalere Denkweisen zu ersetzen. Hierzu werden alternative Sichtweisen und Gedanken entwickelt.

Selbstwertgefühl positiv verändern

Menschen mit sozialen Ängsten haben oft negative Gedanken zur eigenen Person. Oft haben ungünstige Erfahrungen in der Kindheit und im späteren Leben dazu beigetragen, ein negatives Selbstbild zu entwickeln. Das Selbstwertgefühl ist jedoch keine unveränderliche Eigenschaft eines Menschen. Ihm liegen automatische, negative Gedanken zu Grunde. Diese Gedanken können durch Selbstbeobachtung bewusst wahrgenommen werden. Wenn die wichtigsten negativen Überzeugungen bekannt sind, wird mit verschiedenen Übungen der kognitiven Verhaltenstherapie daran gearbeitet eine realistischere Wahrnehmung und positivere Bewertung der eigenen Person zu entwickeln.

Rückfällen vorbeugen

Emotionen sind ein Bestandteil des Lebens. Daher ist es in der Therapie nicht das Ziel, nie mehr Angst zu bekommen. Vielmehr geht es darum, mit den auftretenden Ängsten angemessen umzugehen. Dies geschieht durch das Erlernen passender Bewältigungsstrategien. Es kann vorkommen, dass man in Situationen, die man im Rahmen einer Therapie schon mehrfach bewältigt hat, dazu neigt, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Dann ist es wichtig sich in Erinnerung zu rufen, welche Verhaltensweisen sich in diesen Situationen als hilfreich erwiesen haben. Weiter kann es auch hilfreich sein ggf. in größeren zeitlichen Abständen Nachsorgetermine zu vereinbaren, um das Erlernte nochmals zu festigen.

Therapie

Zuerst sollten Sie sich entscheiden, was für eine Art der Behandlung Sie für sich als sinnvoll erachten. Fachärzte tendieren dazu, Ängste medikamentös zu behandeln. Diese Medikamente lindern die Angstsymptome zum Teil recht schnell, können aber auf Dauer Nebenwirkungen haben. Alternativ können Sie sich für eine psychotherapeutische Behandlung entscheiden, um die Ursachen der sozialen Phobie anzugehen. Hierzu haben Sie die Möglichkeit, einen Termin bei einem Psychotherapeuten zu vereinbaren oder alternativ einen für dieses Fachgebiet ausgebildeten Heilpraktiker für Psychotherapie aufzusuchen. Es kann auch sinnvoll sein, mehrere Therapeuten zu kontaktieren. Ein wichtiger Bestandteil einer Psychotherapie ist das zwischenmenschliche Verhältnis. Schlafen Sie bei der Auswahl eines Therapeuten auch gerne einmal eine Nacht darüber und lassen Sie Ihren Bauch mitentscheiden.

Quellen:

Von Consbruch; Stangier (2010) Ratgeber Soziale Phobie. Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH.
Stangier;Heidenreich;Peitz. (2. Auflage 2009) Soziale Phobien. Weinheim: PVU.
Morschitzky, Hans;Hartl, Thomas (2. Auflage 2014) Raus aus dem Schneckenhaus. Ostfildern: Patmos Verlag.
Hoyer, Jürgen;Härtling, Samia (2017) Soziale Angst verstehen und verändern. Heidelberg: Springer-Verlag.

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