Progressive Muskelentspannung

Progressive Muskelentspannung

Was ist Progressive Muskelentspannung?

Die Progressive Muskelentspannung (PME) ist ein körperliches Entspannungsverfahren. Das Ziel der PME ist es, die eigene Anspannung selber wahrnehmen zu lernen und die Fähigkeit zu entwickeln, selbstständig den eigenen Körper zu entspannen und damit verbunden auch emotionale Anspannung aufzulösen.

Hintergrund: Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson

Edmund Jacobson war ein amerikanischer Arzt, der die Methode der Progressiven Muskelentspannung in den 1920er entwickelte. Nach 20-jähriger Forschungsarbeit veröffentlichte er seine Forschungsergebnisse in seinem Buch „YOU MUST RELAX“. Sein Forschungsinteresse lag auf den Auswirkungen psychischer Spannungen auf den Körper. Er konnte beobachten, dass das Gefühl von psychischer Anspannung immer von der Anspannung der Muskulatur begleitet wird. Zeigten seine Patienten Anzeichen von geistiger Anspannung, so traten zeitgleich immer auch körperliche Symptome bei ihnen auf. Diesen Zusammenhang von psychischer und körperlicher Anspannung machte er sich zunutze. Er schloss daraus, dass wenn es gelingt, den Körper zu entspannen, sich auch eine psychische Entspannung einstellt. Er konnte durch seine Forschung wissenschaftlich belegen, welcher enge Zusammenhang zwischen Körper und Psyche besteht. Beruhend auf diesen Erkenntnissen entwickelte er ein Verfahren, welches seinen Patienten ermöglichte, ihre körperlichen Spannungen selbst zu regulieren, um so dann auch ihre psychischen Anspannungen zu beseitigen. Sein Verfahren beruhte darauf, bei seinen Patienten Selbstverantwortung und Unabhängigkeit zu fördern. Er übte mit ihnen ihr Körperempfinden zu verbessern. Dies war nötig, um den Grad der eigenen Anspannung überhaupt wahrnehmen zu können. Daraufhin lernten sie, wie sie ihre Verspannungen eigenständig ohne Hilfe eines Arztes oder Therapeuten abbauen können. Jacobson legte dabei großen Wert darauf, dass sein Verfahren nach dem Erlernen direkt in den Alltag integriert werden kann. Für ihn war Entspannung mehr als eine medizinische Disziplin. Entspannung war für ihn eine Lebenseinstellung.

Was ist Entspannung eigentlich?

Als Edmund Jacobson das Verfahren der Progressiven Muskelentspannung entwickelte, gab es in der Alltagssprache noch keine genaue Definition für Entspannung. Er musste den Begriff selbst definieren, um ihn seinen Patienten näher bringen zu können: „Spannung ist das angestrengte Halten der Verkürzung von Muskelfasern, während Entspannung die direkte Umkehrung dieser nervösen Erregung ist.“ Eine weitere Formulierung von Edmund Jacobson war, Entspannung als die Abwesenheit von Nerven- und Muskelimpulsen zusammenzufassen oder einfacher ausgedrückt, „Entspannung ist lockerlassen.“ Eine etwas neuere Definition beschreibt Entspannung als ein normales, biologisch angelegtes Reaktionsmuster des Menschen. Die Entspannungsreaktion tritt unter entsprechenden Umgebungsbedingungen, z.B. in einer körperlichen Ruhehaltung, bei Reizabschirmung und vor dem Einschlafen ein. Sie dient als Gegenpol zur Anspannung. Ihre Aufgabe besteht im Schutz des Organismus vor übermäßiger Beanspruchung. Entspannung kann physiologisch und psychologisch beschrieben werden. Die physiologischen Auswirkungen sind folgende:

  • Deutliche Abnahme der Muskelanspannung
  • Erweiterung der Blutgefäße der Extremitäten
  • Senkung des Blutdrucks Verringerung der Atemfrequenz
  • Senkung des Sauerstoffverbrauchs
  • Verlangsamung der Pulsfrequenz
  • Veränderung der hirnelektrischen Aktivität

Psychologisch betrachtet werden die Veränderungen so beschrieben:

  • Gefühl der Ruhe, Gelassenheit, Wohlbehagen
  • Negative Gefühlszustände und Körperempfindungen werden als gemindert oder als ganz verschwunden erlebt
  • Vermehrte Schläfrigkeit tritt auf
  • Das Denken wird kreativer und fokussierter
  • Ein Gefühl der Zufriedenheit wird empfunden

Warum Progressive Muskelentspannung lernen?

Eigentlich ist der Körper dazu konzeptioniert, sich selbst im Gleichgewicht zu halten. Durch den enormen technischen Fortschritt muss er jedoch mit massiven Veränderungen in seiner Umwelt zurechtkommen. Die Zeiten, in denen die körperliche und geistige Aktivität durch den Rhythmus von Tag und Nacht begrenzt waren und ausreichend Ruhephasen zur Verfügung standen, sind lange vorbei. Heute ist der Alltag von einer massiven Reizüberflutung gekennzeichnet. Elektrisches Licht ermöglicht es, rund um die Uhr aktiv zu sein. Medien wie Internet, Radio, Fernsehen, Zeitschriften, Werbung, Smartphone etc. nehmen viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Diese Reizüberflutung und der immer stärker werdende Leistungs- und Zeitdruck verlangen dem menschlichen Organismus immer mehr ab, was zu einer Überlastung seiner Selbstregulierungsmechanismen führen kann. Auch herrscht eine falsche Vorstellung von Entspannung vor. Urlaub, Hobbys und Sport sind nicht generell mit Entspannung gleichzusetzen. In vielen Fällen stellen sie sogar Belastungsfaktoren da. Der Weg zum Flughafen, Stau auf der Autobahn in den Urlaub, der verspätete Anschlusszug, das Warten am Ticketschalter usw. tragen oft nicht zur Entspannung bei, sondern führen zu vermehrtem Stress. Leider kann Entspannung nicht gespeichert werden, um den Alltagsstress zu mindern. Ein dreiwöchiger Urlaub ermöglicht es nicht, die Entspannung der nächsten Monate sicherzustellen. Dazu ist es nötig, auch im alltäglichen Leben regelmäßig zu entspannen. Auf eine Phase der Anspannung sollte zeitnah eine Phase der Entspannung folgen. Sozusagen ein Kurzurlaub im Alltag. Dazu ist es nötig, den Körper in einem Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung zu halten und Entspannung aktiv und regelmäßig zu praktizieren. Leider haben viele Menschen das dazu nötige Gefühl für ihre Muskelsinne nicht ausreichend entwickelt oder verlernt, diese wahrzunehmen. Dadurch haben sie ihre natürliche Entspannungsfähigkeit zu einem gewissen Grad verloren. Oft sind sie sich des Ausmaßes der eigenen Belastungssituation auch gar nicht mehr bewusst. Hier setzt das Verfahren der Progressiven Muskelentspannung an. Es leitet dazu an, durch regelmäßiges Üben im Alltag Spannungs- und Entspannungszustände bewusst wahrzunehmen. Oft stellt man dabei erstaunt fest, wie groß der Stresslevel im Alltag ist. Diese Grundanspannung kostet unnötig Energie und kann im schlechtesten Fall auf die Dauer zu Krankheiten oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit führen.

Vorteile der Progressiven Muskelentspannung

Prinzipiell gibt es verschiedene Entspannungsverfahren wie Meditation, Yoga, Autogenes Training, Atementspannung usw., mit denen man Anspannung begegnen kann. Je nach Entspannungstechnik dauert es jedoch mitunter lange, damit Erfolge zu erzielen, einige davon sind für manche Personen gänzlich ungeeignet. Der Vorteil der PME liegt in ihrer vergleichsweise schnellen Erlernbarkeit, in ihrer großen Einfachheit und Effizienz. Bewusst wird hier auf suggestive Elemente verzichtet. Die Übungen beruhen darauf, gezielt Muskelgruppen anzuspannen und zu entspannen und den Unterschied im Körperempfinden von Anspannung und Entspannung bewusst wahrzunehmen. Diese einfache Technik ist prinzipiell für jeden erlernbar. Bei dauerhafter Anwendung kommt es zu einer allgemeinen Abnahme der durchschnittlichen Werte für Blutdruck, Puls und Atemfrequenz und das subjektive Stressempfinden verändert sich positiv. Die Reaktion auf kommende, stressauslösende Situationen schwächt sich ab. Die Sensibilität für körperliche und psychische Spannungszustände steigt. Erschöpfungszuständen wird positiv entgegengewirkt. Das generelle Anspannungsniveau sinkt auf ein niedrigeres Level. Dies ist nach dem Erlernen der Progressiven Muskelentspannung ohne Arzt, Therapeut oder Trainer durch selbständiges Entspannen möglich.

Wie funktioniert Progressive Muskelentspannung?

Wie anfangs beschrieben stehen psychische und muskuläre Anspannung in einer Wechselbeziehung. Stresssymptome wie Nervosität und Angst treten immer zusammen mit der Anspannung der Muskulatur auf. Das Verfahren der Progressiven Muskelentspannung setzt genau hier an. Es zielt darauf ab, die Muskulatur durch gezielte Übungen zu lockern. Sobald sich die Muskulatur lockert, findet auch gleichzeitig eine Entspannung der Psyche statt. Generell findet dieser Vorgang zu einem gewissen Grad bei jedem Menschen automatisch statt, sobald er sich in einem Ruhezustand befindet. Daher macht man sich diesen Automatismus in der Progressiven Muskelentspannung zunutze. Dauerhaft durch Stress angespannte Menschen haben die natürliche Entspannungsfähigkeit verlernt. Sie merken nicht mehr, welche Muskeln angespannt sind. Sie können nicht beurteilen, ob sie angespannt oder entspannt sind. Somit nehmen sie sich die Möglichkeit auf durch Stress bedingte Belastungssituationen mit Entspannung zu reagieren. Da angespannte Menschen sich nicht einfach willentlich entspannen können, ist es notwendig, mithilfe der Progressiven Muskelentspannung zuerst einmal wieder einen Zugang zur Körperwahrnehmung zu ermöglichen. Das Verfahren dazu ist sehr simpel. Es werden bewusst Muskelgruppen angespannt und anschließend entspannt. Die meisten Menschen sind bei dieser Übung in der Lage, den Unterschied zwischen der angespannten und entspannten Muskulatur gut wahrzunehmen und sich dabei zu entspannen. Da die Muskulatur lernfähig ist, beschleunigt sich durch Üben der Entspannungsprozess. Durch dieses einfache Verfahren entwickelt sich ein immer weiter fortschreitender Entspannungszustand sowohl auf körperlicher als auch psychischer Ebene. Ist die Progressive Muskelentspannung auch im Alltag anwendbar? Ja, dafür ist sie gedacht. Sie kann direkt im Alltag angewendet werden. Belastenden Situationen kann direkt mit Entspannung begegnet werden und die Fähigkeit mit Stresssituationen umzugehen wird verbessert. Einige Beispiele für die Anwendung der Progressiven Muskelentspannung im Alltag sind:

  • Entspannen im Verkehrsstau
  • Entspannen in Verkehrsmitteln wie Bus, Bahn, Flugzeug
  • Entspannen an der roten Ampel
  • Entspannen am Schreibtisch
  • Entspannen am Kopierer
  • Entspannen in Konferenzen
  • Entspannen in Warteräumen
  • Entspannen in Warteschlangen, etc.

Welche Beschwerden können mit Progressiver Muskelentspannung behandelt werden?

Die Anwendungsgebiete der Progressiven Muskelentspannung sind vielseitig, da sich Entspannung auf viele Beschwerden positiv auswirkt:

  • Allgemeine Gesundheitsprophylaxe – fördert die Fähigkeit, mit Belastungssituationen besser umzugehen (zur Prophylaxe ist die Progressive Muskelentspannung sehr zu empfehlen)
  • Schlafstörungen
  • Spannungskopfschmerzen
  • Nervosität, Ängste (auch Prüfungsängste)
  • Verbesserung der Lernfähigkeit (durch Steigerung der Konzentration)
  • Unterstützung bei einer Psychotherapie
  • Verbesserung des Heilverlaufs bei Herz- und Kreislauferkrankungen
  • Stärkung der Abwehrkräfte zur Unterstützung der schnelleren Genesung anderer Erkrankungen
  • Linderung von chronischen Schmerzen

Wie kann die Progressive Muskelentspannung erlernt werden?

Die Progressive Muskelentspannung kann auf unterschiedliche Weise erlernt werden. Jede Weise hat ihre Vorteile und sollte auf die Persönlichkeit und Umstände abgestimmt sein.

Progressive Muskelentspannung im Gruppenkurs erlernen

Das Lernen in einer Gruppe bietet den Vorteil, dass die Übungen von einem ausgebildeten Trainer vermittelt werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass beim Erlernen der Progressiven Muskelentspannung mitunter Hindernisse auftreten, die mit dem Trainer gemeinsam besprochen und gelöst werden können. Das Üben in der Gruppe ermöglicht es außerdem, vom Erfahrungsaustausch mit den anderen Teilnehmern zu profitieren. Eine gemeinsame Trainingsgruppe kann auch manchen als Motivationshilfe dienen, die sonst nicht die Zeit finden, die Übungen alleine in ihren Alltag zu integrieren.

Progressive Muskelentspannung im Einzelunterricht erlernen

Der Einzelunterricht ist wohl die beste Möglichkeit, die Progressive Muskelentspannung zu erlernen. Jeder Teilnehmer ist individuell in seinen Bedürfnissen und ein Gruppenkurs ist generell ein Kompromiss aus den Bedürfnissen der einzelnen Teilnehmer. Beim Einzelunterricht kann der Trainer gegenüber dem Gruppenunterricht wesentlich stärker auf persönliche Bedürfnisse eingehen und einen ganz auf die eigenen Erfordernisse angepassten Übungsstil entwickeln. Außerdem ist man nicht an eine feste Kursdauer oder festes Kursprogramm gebunden. Die Inhalte und Länge des Kurses werden an persönliche Lernerfolge angepasst. Der Einzelunterricht ist erfahrungsgemäß die effektivste Möglichkeit, die Progressive Muskelentspannung zu erlernen.

Wie schnell kann man die Progressive Muskelentspannung erlernen?

Im Vergleich zu anderen Entspannungsverfahren zählt die Progressive Muskelentspannung zu den einfachsten und am schnellsten erlernbaren Entspannungstechniken. Jedoch muss sie wie jede andere Fähigkeit durch Üben erlernt werden. Nicht jeder Mensch lernt gleich schnell. Wichtig ist das gründliche Einüben des Entspannungsverfahrens und nicht das schnelle Abarbeiten der Übungsanweisungen. Prinzipiell sollte die Qualität der Übung und nicht die Geschwindigkeit im Vordergrund stehen. In der Regel stellen sich die ersten positiven Entspannungserfahrungen nach den ersten Übungen ein. In seltenen Fällen kann es aber auch einige Wochen dauern. Bei chronischen Spannungszuständen ist eher mit einer langsameren, schrittweisen Besserung zu rechnen. Am wichtigsten ist es, eine kontinuierliche Übungsmoral zu verinnerlichen, ohne sich zu sehr auf die kurzfristigen Übungserfolge zu fokussieren, da die heilsame Wirkung der Progressiven Muskelentspannung von einer dauerhaften Praxis abhängt. Es kann daher sinnvoll sein, die Progressive Muskelentspannung in einem Kurs zu erlernen und durch regelmäßiges Üben im Alltag zu vertiefen.

Wo kann man Progressive Muskelentspannung lernen?

Es gibt verschiedene Anbieter, die Kurse zur Progressiven Muskelentspannung anbieten. Darunter sind Krankenkassen, Volkshochschulen, Fitnessstudios sowie auch Heilpraktiker bzw. Heilpraktiker für Psychotherapie. Am einfachsten werden Sie mit einer Suche nach aktuellen Kursen oder Einzelstunden in Ihrer Nähe im Internet fündig.